Ich und meine vielen Anteile...
Die Ego-State-Therapie geht auf den US-amerikanischen Psychiater und Psychotherapeuten John G. Watkins und seine Frau Helen H. Watkins zurück. Im Rahmen seiner hypnotherapeutischen Arbeit bemerkte Watkins, dass seine Klient:innen in Trancezuständen immer wieder aus unterschiedlichen Ich-Zuständen heraus sprachen. Diese Zustände hatten oft eigene Erinnerungen, Gefühle und Sichtweisen. In dem von ihnen daraus entwickelten eigenen Ansatz beschrieben sie, dass diese inneren Anteile (Ego States) nicht nur bei schweren Traumafolgen auftreten, sondern ein normales Merkmal menschlicher Psyche sind - bei Trauma jedoch oft in rigide, voneinander isolierten Zuständen "erstarren".
Ego States entstehen aus ganz normalen Entwicklungsprozessen. Wir alle entwickeln im Laufe unseres Lebens unterschiedliche Rollen, um mit verschiedenen Herausforderungen umzugehen, zum Beispiel den "professionellen" Anteil im Job, den "spielerischen" Anteil im Freundeskreis oder den "verletzlichen" Anteil in Beziehungen. In gesunder Form arbeiten diese Anteile als Team zusammen. Traumatische Erfahrungen können diese Anteile jedoch isolieren und dazu führen, dass sie in der Zeit und im Gefühl der damaligen Situation "gefangen" bleiben. Sie reagieren dann so, als würde das Trauma immer noch stattfinden.
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Die therapeutische Grundhaltung ist eine zutiefst respektvolle und beziehungsorientierte, kooperativ statt konfrontativ. Man geht davon aus, dass jeder dieser inneren Anteile eine wichtige Funktion hatte oder hat. Es wird nicht versucht, diese zu bekämpfen, sondern sie bewusst wahrzunehmen, sie zu verstehen, mit ihnen in Kontakt zu treten und eine Art innere Zusammenarbeit in der Gegenwart herzustellen. Dadurch können abgespaltene oder belastete Anteile integriert werden und mehr Flexibilität, Stabilität und Selbstbestimmtheit ist wieder spürbar.
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Vielfalt ist normal. Mit Wertschätzung, Neugierde, Geduld und tiefem Vertrauen begegnen wir Menschen als Expert:innen ihrer eigenen inneren Welt.
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Die Ego-State-Therapie wird auch oft mit Verfahren wie EMDR, Brainspotting oder Hypnotherapie kombiniert, um den Zugang zu verletzten Anteilen zu erleichtern und die Verarbeitung traumatischer Erinnerungen zu unterstützen.